Von Bremen aus in die weite Welt: Der Film-Szenenbildner Dennis Duis (2024)

Viele haben schon ein Doku-Drama gesehen, in dem Dennis Duis die Szenenbildner gestaltet hat. Wie er die Lebenswelt von Michelangelo und van Gogh, aber auch des jungen John F. Kennedy nachempfindet.

08.08.2024, 05:00 Uhr

Das rund 14 Meter lange Schiff des antiken Helden Odysseus oder gar die Götterhalle samt Thron für die Wikinger-Saga „Beowulf“ in täuschend echter Optik nachbauen? Für den Szenenbildner Dennis Duis und sein Team kein Problem. Der gebürtige Niedersachse, der mit seiner Familie seit vier Jahren in Bremen lebt, ist viel in der Welt herumgekommen. Duis hat in Tansania, Südafrika und insgesamt 17-mal in Marokko gearbeitet, aber auch in Skandinavien und dem restlichen Europa. Bald fliegt er nach Wien, um sich auf Spurensuche des Jugendstil-Künstlers Gustav Klimt zu begeben. Im November steht sein erster Dreh in Bremen an. Die NDR-Produktion trägt den Titel „1955“ und soll die Wirtschaftswunderjahre anhand eines Familienfestes nacherzählen. Kurz zuvor war die deutsche Nationalmannschaft Fußball-Weltmeister geworden. Doch die Zeit war auch geprägt von Spätheimkehrern aus russischer Kriegsgefangenschaft und der Trennung von Ost und West, die mit dem Bau der Berliner Mauer zementiert wurde. „Ich habe immer fünf Film-Projekte gleichzeitig im Kopf, wenn ich etwas Passendes sehe, dann mache ich mir Notizen“, erzählt der Szenograf. Seine Leidenschaft gilt historischen Dokumentationen.

Der Szenograf als Mittelalterspezialist

Duis ist einerseits auf das Mittelalter spezialisiert. „Ich habe zwei Lager mit historischen Waffen, eines in Bremen, eines am Bodensee. Damit könnte ich leicht einen Film über die Ritter der Tafelrunde ausstatten“, erzählt er. So hat er für den deutsch-französischen Kulturkanal Arte in der „Superhelden“-Reihe einen Doku-Spielfilm über den „reinen Toren“ Parsifal realisiert, wie ihn Richard Wagner in seiner gleichnamigen Oper bezeichnet hat. Eine weitere Arte-Doku von Duis: „Die Frauen der Wikinger“ mit Esther Schweins in der Hauptrolle.

Doku-Drama über Margot Friedländer

Ein berufliches Herzensanliegen ist es für ihn, gegen das Vergessen der Nazi-Gräuel anzuarbeiten. „Ich bin dankbar, dass Raymond Ley als Regisseur immer wieder diese Themen anpackt“, sagt Duis. So ist sein jüngstes Doku-Drama „Ich bin! Margot Friedländer" eine Hommage an die 102-jährige Holocaust-Überlebende. Emotionen und Mitgefühl zu erzeugen, das sei ein probates Mittel, um gegen Fremdenfeindlichkeit zu sensibilisieren, davon ist er überzeugt. „Für den Friedländer-Film haben wir sogar ein ganzes Theater im Stil der 1930er-Jahre umgebaut“, erzählt der Szenenbildner. Margot Friedländer, die bis heute in Schulen Vorträge gegen das Vergessen hält, habe ihn mehr als beeindruckt, sagt er. Für das Doku-Drama "Leningrad Symphony" von 2016, das an die Blockade der sowjetischen Metropole durch die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg erinnert, hat Dennis Duis Schützengräben, aber auch Konzertsäle nachgebaut. Der Komponist Dmitri Schostakowitsch setzte in seiner Leningrader Symphonie ein Fanal gegen die Schrecken der Belagerung. In seinen mittlerweile 30 Berufsjahren hat Duis rund 150 Film-Produktionen realisiert. Er hat in den USA mit Hollywood-Stars wie Anthony Hopkins und Ben Kingsley Oscar-prämierte Filme gedreht, bevor er sich vornehmlich künstlerischen und zeitgeschichtlichen Produktionen zuwandte. So gestaltete er auch das Szenenbild des Arte-Doku-Dramas "John F. Kennedy in Europa".

TV-Reihe über berühmte Künstler

Ein Faible hat Duis auch für die „Giganten der Kunst“, so der Titel einer Serie, die seit 2019 bei Arte produziert wird. Am zugehörigen Film-Set hat er detailgenaue Szenenbilder eingerichtet, wie beispielsweise das gelbe Zimmer Vincent van Goghs. Der Clou: Seine Assistentin Ann Schaefer, die auch in der Episode über Rembrandt mitspielte, ist eine so talentierte Malerin, dass sie die Werke für den van Gogh-Film nachmalte. Eine besondere Herausforderung sei die Darstellung des Universalgenies Michelangelo gewesen, der die Sixtinische Kapelle im Vatikan und die Marmorstatue des David schuf. Duis gestaltete einen 6,50 Meter langen Styropor-Block so, dass er täuschend echt wie unbehauener Carrara-Marmor wirkte.

Wie der Kontakt zur Filmbranche zustande kam

Der Kontakt zur Filmbranche entstand, als Dennis Duis in den 1990er-Jahren in Köln einen Laden mit Vintage-Designermöbeln betrieb. Dort liehen sich Filmproduktionsfirmen immer einmal wieder Möbel aus. Duis erarbeitete sich mit Geschick und Kreativität in drei Jahren seinen künftigen Arbeitsbereich. Heute müsse ein Berufsanwärter zunächst zwei Semester Innenarchitektur studieren und anschließend ein Studium an der Filmhochschule absolvieren, erläutert er. „Ein Szenograf im Film ist in etwa vergleichbar mit einem Bühnenbildner am Theater. Ich bin mit dem Regisseur ständig in engem Austausch. Das ist wie beim Theater, nur in bewegten Bildern“, sagt Duis. Als sogenannter Head of Department ist er für alles zuständig, was später in den Filmen auf der Leinwand zu sehen ist, mit Ausnahme der Schauspieler. „Das sind Design und Farbkonzepte, bauliche Maßnahmen und Requisiten, also die Koordinierung der einzelnen Gewerke“, erläutert er. Ständig historische Lebenswelten nachzuempfinden, das mache ihm wahnsinnig viel Spaß, resümiert Duis.

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